Philip Manow liest Thomas Hobbes´ politische Schriften im Lichte der Texte Sigmund Freuds. Dabei zeigen sich erstaunliche Parallelen: Philosoph und Psychoanalytiker erzählen beide von einem Ursprung der Gesellschaft, der nicht nur als politisches, sondern auch als religiöses Bündnis zu verstehen ist. Wurde Hobbes´ Erzählung vom Naturzustand bisher meist auf ihren politischen Anteil - also die ersten beiden Bücher des Leviathan - reduziert, kommt Manow in seiner Lektüre des gesamten Werkes zu dem Schluss, dass die Überwindung der Gewalt durch den Vertrag eines jeden mit einem jedem auch theologisch begründet wird: Der Leviathan ist eine (sterbliche) Interimsgottheit, die zwischen dem ersten und zweiten Königreich Gottes herrscht. und diese Verschränkung von Politik und Religion ist auch für die freud´sche Ursprungsphantasie konstitutiv.
In ihren Ursprungserzählungen geben sich Gesellschaften Antworten auf das Rätsel ihrer sozialen und politischen Existenz. Die prominenten Antworten von Hobbes und Freud, zwischen denen annähernd 300 Jahre liegen, versteht der Autor als Erscheinungen einer übergeordneten Entwicklung: Zum einen geben die auffälligen Motiv- und Strukturübereinstimmungen zwischen Naturzustand und Urhorde Hinweise auf allgemeine rezeptionsästhetische Erfolgsbedingungen politischer Ursprungsphantasien. Zum anderen vertritt Manow die These, dass der Nationalstaat aus eben den Gründen, aus denen er im 17. Jahrhundert zur Lösung wurde, im 20. Jahrhundert zum Problem wird. Der Leviathan, ursprünglich als die Angst vor dem Bürgerkrieg überwindendes Monster inauguriert (»ut nullum timeret«), entwickelt sich im frühen 20. Jahrhundert selbst zu einem Angst und Schrecken in nie geahntem Ausmaß verbreitenden Monster. Mit seiner politischen Ursprungserzählung »Totem und Tabu« (1913/1914), der in seinem Todesjahr mit »Der Mann Moses« (1939) eine religiöse Variante folgt, sucht Freud eine nach außen wie innen aggressiv wirkende staatliche Gewalt zu bannen, deren Geburtsurkunde Thomas Hobbes 1651 ausgestellt hatte.