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Gerechtigkeit als historischer Experimentalismus

Gerechtigkeit als historischer Experimentalismus

Gerechtigkeitstheorie nach der pragmatistischen Wende der Erkenntnistheorie


Rawls´ Theorie der Gerechtigkeit von 1971 begründete die Disziplin Gerechtigkeitstheorie in ihrer heutigen Form und löste einen bis weit in die 1980er Jahre andauernden Boom an Neugründungen konkurrierender Ansätze aus. Mittlerweile stagniert dieses Feld der Philosophie jedoch in einem selbstgenügsamen Gleichgewicht zwischen neokantianischen und neoaristotelischen Ansätzen. Theoretisch-begriffliche Innovationen sind zur Rarität geworden. Die Anwendung vorhandener Theorie scheint das Gebot der Stunde.

Michael Festls Studie entwirft dagegen einen neuen Ansatz der Gerechtigkeitstheorie. Sie argumentiert, dass die in der Erkenntnistheorie zu verzeichnende pragmatistische Wende, welche hier weiter als üblich gefasst wird und neben Sellars, Brandom und Davidson auch James, Mead und Joas integriert, der Gerechtigkeitstheorie das Rüstzeug für einen neuen Ansatz liefert, auf welches in den jüngsten Werken von Amartya Sen und Axel Honneth teilweise schon zurückgegriffen wird. Gerechtigkeit wird von Festl als »historischer Experimentalismus« verstanden, welcher sich aus vier Elementen zusammensetzt: einer kreativen Demokratie, einem historischen Experimentalismus im engeren Sinne, einer instrumentalistischen Bereichsethik und einer progressiv-versöhnlichen Erinnerungskultur. Diese Elemente bilden die Grundlagen von nichts Geringerem als einer Neubegründung der Gerechtigkeitstheorie mit ideengeschichtlicher Tiefe und systematischer Tragweite.