Melanie Sehgal
Eine situierte Metaphysik
Empirismus und Spekulation bei William James und Alfred North Whitehead
Diese vermeintlichen Gegensätze erfahren jedoch eine grundlegende Rekonstruktion: kein Empirismus ohne Spekulation, keine neue Metaphysik ohne einen radikalisierten Empirismus und Geschichtlichkeit - d.h. nicht ohne eine Reformulierung des Metaphysikverständnisses selbst. Das Buch von Melanie Sehgal führt in das Denken William James’ und Alfred North Whiteheads ein und eröffnet in einer Zusammenschau ihrer heterogenen Schriften neue Perspektiven auf beide Werke. Dabei schlägt es vor, James und Whitehead heute zu lesen. Ihr Denken wird nicht nur philosophie- und wissensgeschichtlich, sondern auch in aktuelle Theoriediskussionen an den Schnittstellen von Philosophie und Kulturwissenschaft eingebettet - insbesondere in Debatten um ein Denken »nach den Zeichen«, neue Materialismen und spekulative Denkformen.
James und Whitehead heute zu lesen, heißt aber vor allem, nach der Aktualität der Gegenwartslektüre zu fragen, von der ihr Denken seinen Ausgang nimmt: der Diagnose einer Inkohärenz im modernen Naturbegriff. Heute, da die Konsequenzen moderner Lebens- und Denkweisen noch deutlicher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu Tage treten - während die Inkohärenzen des modernen Naturbegriffs überdauern -, könnte das Projekt einer radikal-empiristischen Metaphysik eine neue Aktualität und Relevanz gewinnen. Denn eine situierte Metaphysik ist keine Rückkehr zu überkommenen, metaphysischen Spekulationen oder eine neue Hinwendung zu den Dingen selbst. Sie ist vielmehr eine spezifisch philosophische Arbeit an den Denkgewohnheiten einer Epoche - und wird damit als eigene Form der Kritik lesbar.