Groß war das Entsetzen, als in den 1980er Jahren bekannt wurde, dass Hans Robert Jauß sich 1939 freiwillig zur Waffen-SS gemeldet und dort eine erste Karriere gemacht hatte. Jauß galt als einer der renommiertesten deutschen Wissenschaftler und als einer der bedeutendsten Romanisten des 20. Jahrhunderts. 1966 gehörte er zu den Gründungsprofessoren der Reformuniversität Konstanz. Die von ihm entworfene Rezeptionsästhetik erlangte Weltruhm. Daher war die Entdeckung seiner NS-Vergangenheit ein echter Skandal, der durch die Erkenntnis, dass Jauß weder in der Waffen-SS noch in der Hitlerjugend ein einfacher Mitläufer war, sondern in beiden NS-Organisationen Führungspositionen mit Führungsverantwortung innehatte, umso irritierender wurde. Der ehemalige SS-Hauptsturmführer war jedoch nicht bereit, seine erste Karriere in der Öffentlichkeit zu diskutieren und flüchtete sich stattdessen in Lügen und Verharmlosungen.
Es ist längst an der Zeit, das Vorleben von Hans Robert Jauß im Dritten Reich so umfassend darzustellen, wie es die Quellenlage erlaubt. Der Historiker Jens Westemeier erforscht anhand zahlreicher bislang unbekannter Dokumente, wie es zu der geteilten Karriere des Wissenschaftlers und SS-Mannes kommen konnte. Er unternimmt dabei eine Reise in die Vergangenheit - und wieder zurück in die Gegenwart. Westemeier zeichnet die SS-Karriere von Hans Robert Jauß sowie Phasen der bis heute andauernden Diskussion über diese Vergangenheit nach und setzt sich historisch präzise mit dem schweren Erbe auseinander, das der berühmte Romanist hinterlassen hat. Sein Buch ist die lang erwartete umfassende Studie, um es historisch differenziert zu betrachten.